Seit mittlerweile Jahrzehnten bewegt mich die europäische Agrarpolitik mit ihren Zielen und ihren Folgen. Nirgendwo setzt die EU soviel Geld ein, nirgendwo beeinflusst sie damit einen ganzen Wirtschaftszweig so massiv in seiner Grundausrichtung. Wer auf dem Land – auf einem Bauernhof aufwächst – kennt diese Debatten von Kindesbeinen an, Namen wie Ray McSharry oder Franz Fischler haben sich einem eingeprägt.
Jetzt steht wieder eine Reform an und wieder ist es an der Zeit, dass auch Grüne deutlich sagen, wie sie die europäischen Agrargelder zukünftig einsetzen wollen. Deshalb habe ich gemeinsam mit vielen anderen Grünen Agrarpolitikerinnen und -politikern aus den Landtagen, dem Bundestag, dem Europäischen Parlament sowie weiteren ExpertInnen über das Parlament hinaus ein Papier verfasst, das unsere Vorschläge zu den zu bewältigenden Aufgaben erklärt.
Klar ist: Die zukünftigen Herausforderungen sind groß – manche davon sind altbekannt, wie das Höfesterben -, andere sind neu, wie die klimatischen Veränderungen, die mit ihren zunehmenden Dürren die Landwirtschaft massiv unter Druck setzen. Auf all das muss die Politik eine Antwort finden und die landwirtschaftlichen Betriebe auf ihrem Weg begleiten.
Der dramatische strukturelle Wandel hat das Land schon erheblich verändert und trotz immer größerer Höfe kommt dieser Prozess nicht zum halten, sondern geht seit Jahren unvermindert weiter bzw. hat sich sogar tendenziell beschleunigt. Längst geht es nicht mehr um den 10 oder 20 ha Betrieb, vielmehr stehen Vollerwerbsbetriebe mit 60 oder 80 ha Fläche und entsprechendem Viehbesatz vor dem Aus. Und das, weil die Relation von Arbeit und Ertrag nicht passt, weil die Kinder in anderen Berufen ihr Geld leichter verdienen können und weil die EU-Agrarförderung in der Vergangenheit massiv Großbetriebe bevorzugt hat. Ein Punkt, der sich mit der nächsten Reform daher verändern muss: Wir brauchen eine deutlich bessere Förderung der Ersten Hektare sowie endlich auch eine Kappungsgrenze. Denn die aktuelle Corona-Krise zeigt uns, dass der Erhalt einer vielfältigen Ernährungswirtschaft – mit vielen landwirtschaftlichen Betrieben und handwerklichen Verarbeitern – eine gute Basis für eine regionale Ernährungssicherheit sein kann. Deshalb ist für mich wichtig, dass die Agrarpolitik und damit auch die Agrarförderung endlich wirklich die kleineren und mittleren Betriebsgrößen in den Fokus nimmt. Um diese Betriebe muss es jetzt gehen – ansonsten brechen sie uns in den nächsten Jahren komplett weg.
Neben der agrarstrukturellen Seite muss die Landwirtschaft aber auch wieder mit der Natur wirtschaften anstatt einseitig das ökonomische Optimum anzustreben. Wir wissen, dass der Zusammenbruch der Artenvielfalt eine Herkulesaufgabe ist, zu deren Lösung auch die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten muss. Deshalb fordern wir Grüne schon lange: „Öffentliche Leistungen für Öffentliche Güter“ – d.h. die Zahlungen von Steuermitteln an die Landwirtschaft müssen auch tatsächliche Effekte für Umwelt und Natur haben.
Als letztes, mir besonders wichtiges Thema möchte ich den Tierschutz in der Landwirtschaft nennen. Über dreißig Jahre lang hat die EU-Agrarförderung vorrangig die Bewirtschaftung von Boden bezuschusst und insbesondere Deutschland hat die Viehhaltung konsequent von Prämienansprüchen abgekoppelt. Dabei wäre es richtig, umweltschonende und tiergerechte Haltungsverfahren wieder deutlich stärker zu unterstützen und so u.a. wieder für mehr Rinder, Schafe und Ziegen in unserer Landschaft zu sorgen.
Wir wollen mit unserem Papier einen Schritt nach vorne anregen, anstatt jetzt mit dem faulen Argument der Corana-Krise mit einer unambitionierten Ausrichtung der Förderung wieder sieben Jahre zu verspielen. Sieben Jahre, die viele unserer Landwirtschaftlichen Betriebe nicht haben, sieben Jahre die aber auch die Umwelt und die Tiere auf den Höfen nicht haben!
Hier das Positionspapier der Grünen Agrarpolitikerinnen und -politiker:
Europäische Agrarpolitik – Chancen nutzen und Zukunft gestalten!