“Politiker versprechen immer viel…” – Der Faktencheck Nr. 2: Der Tierschutz

Norwich_Rüße_LTW_2017_KP_kl“Politiker lügen doch alle – vor der Wahl versprecht ihr viel und dann haltet ihr nix davon….”

Diesen Vorwurf durfte ich mir im Rahmen einer Diskussion mit Jugendlichen anhören. Mein Eindruck ist, dass dieses Vorurteil gegenüber der Politik seit Jahrzehnten hartnäckig besteht, aber gerade mit Blick auf grüne Politik hier in NRW einen Faktencheck nicht überlebt. Deshalb werde ich mir mal in loser Folge meinen Politikbereich “vorknöpfen” und schauen, was wir mit dem Koalitionsvertrag versprochen und was wir davon gehalten haben.

Faktencheck Nr. 2:
Der Tierschutz

Im Tierschutz haben wir mit dem Koalitionsvertrag 2012 einige Punkte festgezurrt. Der Kernsatz in puncto Tierschutz war und ist für uns: „Tiere sind Lebewesen und als solche zu respektieren.“ (S. 59)

Vor diesem Hintergrund hatten wir uns vorgenommen, sowohl in der Landwirtschaft, auf den Schlachthöfen, aber auch in der Forschung Veränderungen zu erreichen. Zwei ganz konkret benannte Ziele waren eine Stiftungsprofessur für Tierschutz sowie ein Gefahrtiergesetz, das die Haltung gefährlicher Arten regeln sollte. Dazu kam noch das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine, das wir ebenfalls neu schaffen wollten, weil die Nutzer sehr wohl gegen ein „Zuviel“ im Tierschutz klagen können, aber ein „Zuwenig“ im Tierschutz bislang nicht einklagbar bzw. überprüfbar war. Darüber hinaus wollten wir die Förderung von Tierheimen verbessern. (S. 59)

Was haben wir erreicht?

Das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände haben wir nach 2012 als einen der ersten Punkte abgearbeitet. Während bislang im Tierschutz die Beziehung nur zwischen Nutzern und Behörden bestand, sorgt ein Verbandsklagerecht nun für ein Dreieck von Nutzern, Behörden und Tierschützern. Die zur Klage zugelassenen Tierschutzverbände können jetzt Haltungsbedingungen in Stallanlagen sowie Tierversuche beklagen, wenn sie meinen, dass hier tierschutzrelevante Verstöße vorliegen. Gegen Tierversuche ist allerdings nur eine Feststellungsklage zulässig, so dass ein einzelner Versuch nicht aufgehoben, aber die Klage für weitere Versuche richtungsweisend sein kann. Die von der Opposition befürchtete Klageflut trat übrigens – wie von uns immer vermutet – nicht ein. Es zeigt sich, dass Tierschützer ebenso wie der Naturschutz sehr verantwortungsvoll mit der Klagemöglichkeit umgehen. Aus meiner Sicht ist dies ein ganz wichtiger Punkt für die Tierschutzpolitik in unserem Bundesland.

Das Gefahrtiergesetz, das wir auch gerne in dieser Legislatur gemacht hätten, ist demgegenüber leider nicht gekommen. Insbesondere Bedenken des Koalitionspartners haben dazu geführt, dass dieses Projekt immer weiter nach hinten verschoben wurde und am Ende gar nicht mehr abgeschlossen werden konnte. Dabei wäre ein solches Gesetz aus unserer Sicht sinnvoll, weil es den Umgang mit gefährlichen Tieren besser regeln würde. Dieses Thema werden wir deshalb auf alle Fälle mit in die neue Legislaturperiode nehmen.

Geschafft haben wir es aber in dieser Wahlperiode ein lange bestehendes tierschutzpolitisches Thema anzugehen, nämlich die Problematik der Tierversuche und mögliche Alternativen dazu. Mit Hartnäckigkeit hat hier mein Landtagskollege Martin-Sebastian Abel als tierschutzpolitischer Sprecher der Fraktion dafür gesorgt, dass  in NRW in Düsseldorf ein Centrum für Ersatzmethoden zum Tierversuch (CERST-NRW) eingerichtet wurde.  Das CERST-NRW ist am Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung (IUF) angesiedelt und die Leiterin des neuen Institutes ist Professorin Dr. med. Ellen Fritsche, eine international anerkannte Forscherin, die mehrfach national und international für ihre Arbeiten zur Einschränkung von Tierversuchen ausgezeichnet wurde. Hier haben wir die Vereinbarung im Koalitionsvertrag komplett umgesetzt:

Im Bereich der Landwirtschaft hatten wir uns 2012 ambitionierte Ziele gesetzt. Artgerechtere Haltung, Transportzeiten, qualfreie Nutztierhaltung, Schlachthöfe waren hier unter anderem die Stichworte. Und obwohl die entscheidenden Zuständigkeiten für den Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung vor allem auf Bundesebene liegen, haben wir aus Nordrhein-Westfalen heraus immer wieder Impulse für eine andere, eine tiergerechtere Landwirtschaft gesetzt. Wir haben die Fördermittel für Stallbauten an neue Kriterien gebunden und insbesondere ganz große Milchviehbestände von der Förderung ausgeschlossen. Gleichzeitig haben wir mit Blick auf den Tierschutz besonders gute Ställe in der Förderung deutlich nach vorne gestellt. So sind zum Beispiel die sog. Hühnermobile von uns mit einer 40-Prozent-Förderung ausgestattet. Wer mit offenen Augen durch Nordrhein-Westfalen fährt, kann den Erfolg dieser Förderpolitik sehen, denn es sind immer mehr dieser für die bäuerliche Hühnerhaltung optimalen Stallsysteme in unseren Regionen zu sehen.

Aber auch mit Blick auf problematische Praktiken wie betäubungsloses Kastrieren, Schwänze kupieren, Kükenschreddern oder Enthornen war insbesondere unser Landwirtschaftsminister Johannes Remmel aktiv und hat versucht, Veränderungen herbeizuführen, während das Bundeslandwirtschaftsminsterium immer wieder nur auf Zeit gespielt hat. Alle diese Praktiken sind mit dem Tierschutzrecht nur schwer vereinbar und auch europäisches Recht wie die Schweinehaltungsrichtlinie schließen solche Eingriffe im Prinzip aus.

Deshalb ist es auch sehr gut, dass wir beim Enthornen gemeinsam mit den zuständigen Verbänden den Ausstieg beschlossen haben („Düsseldorfer Erklärung“). Mit einer angemessenen Übergangsfrist versehen, hat sich die Landwirtschaft verpflichtet, mittelfristig auf das Enthornen zu verzichten und stattdessen entweder auf entsprechend genetisch hornlose Zuchtlinie zu setzen oder die Hörner wieder an den Kühen zu lassen.
(Die „Düsseldorfer Erklärung“ finden Sie hier: https://www.umwelt.nrw.de/fileadmin/redaktion/PDFs/landwirtschaft/Duesseldorfer_Erklaerung_zur_verstaerkten_Zucht_auf_Hornlosigkeit_Endfassung_9.5.2012.pdf)

Bei der Kastration von Ferkeln ist es nicht zuletzt auch dem Druck der grünen Landesagrarminister zu verdanken, dass der Ausstieg aus der betäubungslosen Kastration ab dem 1.1.2019 beschlossen ist. Danach müssen die Ferkel entweder sediert werden, oder die Halter nutzen die Immunokastration (Spritze) oder machen Ebermast. Ein wichtiger Schritt für mehr Tierschutz!

Das routinemäßige Kupieren der Schwänze bei kleinen Ferkeln wurde vom Ministerium ebenfalls bearbeitet. Auch hier wurde versucht, gemeinsam mit den Tierhaltern eine Lösung zu finden. Dasselbe gilt für das Schnäbelkürzen bei Geflügel (Puten, Hühner) – auch hier haben wir gemeinsam mit den Haltern und deren Verbänden nach Lösungen gesucht und im Gegensatz zum Bundeslandwirtschaftsminister aktiv versucht, den Tierschutz in der Landwirtschaft an diesen Stelen zu verbessern (die entsprechenden Vereinbarungen finden sich hier: https://www.umwelt.nrw.de/laendliche-raeume-landwirtschaft-tierhaltung/tierhaltung-und-tierschutz/nutztierhaltung/tierschutz-in-der-landwirtschaftlichen-nutztierhaltung/).

An dieser Stelle wird auch deutlich, dass der gelegentliche Vorwurf seitens der Landwirtschaft – wir würden sie zu sehr reglementieren – nicht stimmt. Wo immer es möglich ist, haben wir versucht, auf freiwilliger Basis eine Lösung zu finden. Was wir allerdings mit großem Engagement gemacht haben – wir haben auf vielen Ebenen versucht, die Debatte über eine bessere Tierhaltung in Deutschland anzustoßen. Ob mit Initiativen über den Bundesrat, ob mit Runden Tischen zur Massentierhaltung im Landtag, oder ob durch die Präsenz der grünen Landwirtschaftsminister bei der jährlichen Wir-haben-es-satt-Demo in Berlin – wir haben so mit dazu beigetragen, dass die Zeichen mittlerweile auf Veränderungen in der Tierhaltung stehen. Das vielbeachtete Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik des BMEL zur Tierhaltung wäre ohne den gesellschaftlichen Druck und ohne den Druck auch aus NRW nie möglich gewesen!

Aus tierschutzrechtlicher Hinsicht war das Highlight aber natürlich die Novellierung des Jagdrechts in NRW. Wir haben hier erhebliche Verbesserungen eingeführt, wie z.B. das Verbot der Totschlagfallen sowie die Vorschrift zu elektronischen Meldesystemen bei den verbliebenen Fallen. Auch haben wir die Baujagd aus Gründen des Tierschutzes erheblich eingeschränkt und auch die Hundeausbildung im Sinne des Tierschutzes verändert. Und selbstverständlich ist das Verbot des Katzenabschusses ein weiterer wichtiger Schritt gewesen. Wir wollen über die Kastration eine tatsächliche Eindämmung des Katzenbestandes erreichen, genau das hat das alte Jagdrecht mit dem Abschuss ja nie geschafft. Dazu haben wir die Haushaltsmittel für Kastrationszuschüsse für Tierschutzvereine erheblich erhöht und werden dies sofern notwendig auch noch weiter tun. Langfristig werden das nicht zu leugnende Problem so jedenfalls eher in den Griff bekommen, als dadurch, dass jährlich ca. 8.000 Katzen von Jägern getöteten worden sind.

Schließlich sei auch noch erwähnt, dass wir auch unser Versprechen aus dem Koalitionsvertrag gehalten haben, ein Sanierungsprogramm für Tierheime aufzulegen, weil diese sich in der Tat teilweise in keinem besonders guten Zustand befinden.

Fasst man die letzten fünf Jahre unserer Arbeit in Düsseldorf unter dem Aspekt der Tierschutzpolitik zusammen, so bleibt festzuhalten, dass wir schon eine Menge umgesetzt haben. Darunter auch Punkte, wo ich persönlich 2012 ehrlich gesagt nicht davon überzeugt war, dass es wirklich gelingen könnte („Lehrstuhl für Tierschutz“). Einzig das Gefahrtiergesetz ist komplett auf der to-do-Liste geblieben. Und natürlich werden in paar Punkte erst in den kommenden Jahren wirklich sichtbar werden. Das gilt insbesondere für den landwirtschaftlichen Bereich, wo wir immer einen guten Kompromiss zwischen ökonomischen Aspekten und tierschutzmäßigen Verbesserungen gesucht haben.

Mein Fazit: Alles in allem finde ich, das sich unsere Tierschutzpolitik der letzten fünf Jahre wirklich sehen lassen kann!

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