PM: Vermarktungsplattform löst Probleme am Milchmarkt nicht

Norwich_Rüße_2010Zum Vorschlag der CDU, eine Vermarktungsplattform für Milcherzeugnisse voranzutreiben, erklärt Norwich Rüße, landwirtschaftspolitischer Sprecher der GRÜNEN Fraktion im Landtag NRW:

„Die Milchbäuerinnen und Milchbauern stehen mit dem Rücken zur Wand. Ein dramatischer Preisverfall kennzeichnet die dritte Milchkrise innerhalb von nur sieben Jahren. Die von der CDU geforderte Gründung einer „Vermarktungsplattform“ ist ein alter Hut, der keine Verbesserung bringen wird. Denn gerade die großen Molkereien, die eigentlich schon eine ausreichende Marktposition erreicht haben, zeichnen sich durch besonders schlechte Auszahlungspreise aus.

Statt weiterhin auf Exportmärkte zu hoffen, wie es Bauernverband und CDU seit Jahren tun, brauchen wir jetzt ein sofortiges Notprogramm zur Sicherung der bäuerlichen Milcherzeugung und der bäuerlichen Existenzen. Kurzfristig muss die Milcherzeugung spürbar reduziert werden, damit sich der Milchmarkt wieder stabilisiert. Langfristig muss es aber auch darum gehen, eine bessere Wertschöpfung zu erzielen. Anstatt immer mehr immer billiger zu produzieren, muss die Landwirtschaft auf Qualitätsprodukte wie z.B. die „Weidemilch“ oder „Heukäse“ setzen.“

Hintergrund:

Zielführende Vorschläge zur Stabilisierung des Milchmarktes wurden sowohl von den Grünen Landesagrarministern als auch von Grünen Europa-, Bundes- und NRW-Landtagsabgeordneten vorgelegt. Sie umfassen z.B. ein Soforthilfeprogramm von der Bundesregierung für betroffene Bäuerinnen und Bauern, die aufgrund der Milchmarktkrise jetzt in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten stecken. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich ebenso wie Frankreich für eine Mengenreduzierung einsetzt.

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Rede zum Milchantrag der CDU:
Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich war doch ein wenig überrascht, als ich ihren Antrag zur Milch gelesen hatte.

Dass Sie überhaupt noch einmal in dieser Legislaturperiode einen Antrag zur Landwirtschaft  schreiben würden, grenzt ja schon fast an ein Wunder!
Sie haben ja seit Jahren hier zur Landwirtschaft eigentlich nichts mehr geäußert!

Aber schön, dass Sie diesen Antrag hier gestellt haben.

Denn über die erneute Milchkrise, ihre Ursachen und über die drohenden Auswirkungen lohnt es sich selbstverständlich, zu diskutieren.

Dass Sie diesen Antrag hier stellen, ist auch deshalb gut, weil dadurch zwei Punkte offensichtlich werden:

Erstens: Dieser Antrag ist ein Beleg dafür, dass der Niemand-kennt-ihn-Bundesagrarminister Schmidt  in der Krise ein Totalausfall ist.

Zweitens – und das ist mir wichtiger – zweitens zeigt dieser Antrag, wie vollkommen unterschiedlich wir die Lage bewerten und welche Wege wir gehen wollen.

Aber zunächst ein paar Worte zur Milchkrise:

Nach 2009 und 2012 ist das jetzt die dritte ganz schwierige Situation für unsere Milchbäuerinnen und Milchbauern innerhalb von nicht einmal einem Jahrzehnt.

Und die wirkliche Ursache für diese erneute Krise liegt eben nicht am „Russland-Boykott und dem damit wegbrechenden Markt“ – so wie Sie es hier formulieren.

Die eigentliche Ursache der Krisen 2009, 2012 und 2015 liegt im Wesentlichen an der massiven Steigerung der Milchproduktion.
Zwischen 1990 und 2006 lag die deutsche Milchproduktion immer relativ stabil zwischen 26 und 27 Mio. kg Milch.

Seit 2007 haben wir jährlich wachsende Liefermengen:

2010 waren es schon 29 Mio. t,
2012 waren es 31 Mio. t
und im letzten Jahr knapp 32 Mio. t Milch erzeugt.

Und auch für dieses Jahr ist die Prognose eindeutig, die Steigerung wird weitergehen.

Und damit wir hier auch mal klarkriegen, um wie viel Geld es für die Bauern geht:

Bei 27-28 Ct. aktueller Auszahlungspreis fehlen auf den Konten der Milchbäuerinnen und Milchbauern im Jahr weit über 3 Mrd. Euro!

Und jetzt kommen Sie mit Ihrem Patentrezept:

„Man muss nur eine Vermarktungsplattform gründen – und schon fluppt es!“

Was ist das für eine abstruse und realitätsferne Vorstellung!

Mein Damen und Herren,

wir haben doch auch am Molkereimarkt längst eine Konzentration.

Der Zusammenschluss von Nordmilch und Milchunion Humana zur DMK – dem „Deutschen Milchkontor“ – sollte doch genau diese Augenhöhe und Synergien bringen.

Die DMK verarbeitet von den oben genannten 30 Mio. t. immerhin ein Fünftel. Diese Molkerei kann eigentlich locker auf Augenhöhe mit Lidl, Aldi oder der Edeka über Milchpreise verhandeln.

Die Verhandlungsposition ist nicht wegen zu kleiner Molkereien so schlecht, sondern wegen dem Überangebot an Milch. So einfach ist das!

Wo allerdings wirklich Augenhöhe fehlt, ist zwischen den Milchbauern und den Molkereien.

Die 75.000 Milchbäuerinnen und Milchbauern müssen das nehmen, was ihnen die 149 Molkereien auszahlen. Hier stimmen die Verhältnisse  schon lange nicht mehr. Dazu hätten Sie in Ihrem Antrag mal etwas schreiben sollen!

Aber noch ein Wort zur DMK, dem Molkereiriesen.

Bei der Verarbeitungsmenge ist das DMK tatsächlich ein Riese – beim Auszahlungspreis an die Bauern dagegen der Zwerg von Deutschland!

Warum ist das so?

Weil die Großmolkereien seit Jahrzehnten vor allem auf einfachste Massenware setzen.
Da ist man aber leicht austauschbar und man muss deshalb immer zum billigsten Preis produzieren.

Umso mehr gilt das, wenn ich damit auch noch auf den Weltmarkt gehe.
Wir wissen doch, dass das Weltmarktroulette mit billiger Milch nicht die Zukunft sein kann.

Für uns ist klar: Die Menge muss runter!

Nur dann kann sich der Milchmarkt wirklich erholen.

Solche Vorschläge liegen wiederholt seit 2010 auf dem Tisch.

Sie wollten das alles nicht hören, weil der Weltmarkt Ihr agrarpolitisches Credo ist.

Und deshalb ist der schlechte Milchpreis auch Ihr schlechter Milchpreis – er ist das konkrete Ergebnis Ihrer schlechten Agrarpolitik!

Ihr Antrag hier – das habe ich schon ganz zu Beginn gesagt – ist ein schonungsloser Offenbarungseid einer komplett falschen Agrarpolitik.

Und daher lehnen wir den Antrag auch dementsprechend ab.

[es gilt das gesprochene Wort]

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