Auf die Empfehlung der „Zeit“ – die Bauern möchten doch bitte einfach nur mal bei Keynes nachschlagen – musste ich antworten, denn zum einen ist Keynes ohnehin nicht immer die Lösung und zum anderen blendet ein solcher Blickwinkel aus, dass die Landwirtschaft eben kein industrieller Produktionszweig unserer Volkswirtschaft ist. (Zeit-Artikel s.u.):
„Der Autor macht es sich ein wenig leicht mit seinem Ratschlag, die Bauern sollten doch a lá Keynes einfach in guten Zeiten sparen, dann ließen sich Krisen leicht überstehen. Eine Analyse des Milchpreises der letzten Jahre zeigt, dassden kurzen Phasen hoher Milchpreise deutlich längere Phasen niedriger Auszahlungspreise gegenüberstanden, so dass die empfohlene Rücklagenbildung gar nicht möglich war.Zudem ist der Vergleich mit dem sogenannten Schweinezyklus unredlich. Der Schweinezyklus wurde vor über 80 Jahren von Arthur Hanau beschreiben und thematisiert die gegenseitige Abhängigkeit von Schlachtpreis und Schlachtschweineangebot. Aber das heutige Marktgeschehen lässt sich nicht mit den Agrarmärkten der Weimarer Republik vergleichen und schon gar nicht kann man die damals beschriebenen Gesetzmäßigkeiten auf den heutigen Milchmarkt übertragen.
Richtig ist vielmehr, dass in den letzten Jahren jeder dritte Milchbauer wegen der unzureichenden Milchpreise die Milcherzeugung eingestellt hat. Vom marktliberalen Standpunkt mag man das sogar befürworten, allerdings zeugt diese Selbstbeschränkung des Artikels von einem geringen Verständnis für die komplexen Zusammenhänge in der Landwirtschaft. Denn das Produzieren zum – marktwirtschaftlich gewünschten – günstigsten (Milch-)Preis zeigt dermaßen große Schattenseiten, dass man diese zumindest anreißen sollte: Die billige Milch wird auf dem Rücken der Tiere – von denen die Hälfte nach der ersten Laktation schon zum Schlachter gebracht werden – erzeugt. Sie wird auch auf Kosten der Umwelt erzeugt, was die schlechten Nitratwerte im Grundwasser gerade in den sogenannten Gunststandorten in der norddeutschen Tiefebene belegen. Und schließlich wird Billigmilch auch auf Kosten unserer Kulturlandschaft und unserer Natur erzeugt, in dem zum Beispiel die für die Artenvielfalt äußerst wichtige Weidehaltung kaum noch stattfindet.
Eine an die Landschaft und ihre Ressourcen angepasste bäuerliche Milchwirtschaft hat über Jahrhunderte unsere Kulturlandschaft geschaffen, die agrarpolitisch erzwungene einseitige Marktorientierung macht diese Leistungen in ein paar Jahren kaputt. Statt von etwaigen imaginären Rücklagen zu schreiben, hätte es dem Artikel sehr gut getan, diese Zusammenhänge intensiver zu beleuchten. Das ist sehr schade, weil damit einmal mehr eine Chance vertan wurde, die enorme Komplexität und die Folgewirkungen der Landwirtschaft darzustellen – denn Bauernhöfe sind nun einmal keine Schraubenfabriken!
Milchpreis, Die Zeit, 20.08.2015