Lange hatten die Milchbäuerinnen und Milchbauern des BDM für eine Fortführung der Milchquote gekämpft. Dabei waren die Erfahrungen aus der Milchkrise des Jahres 2009 sicher entscheidend und natürlich das Wissen, dass ein Quotenausstieg die Milchproduktion europaweit enorm ankurbeln wird und sich daraus erhebliche Marktprobleme ergeben können. Aber nicht einmal mit ihrer Forderung, zumindest ein Sicherheitsnetz einzuziehen, konnte der BDM bei den AgrarpolitikerInnen von CDU/CSU und FDP vordringen. Ebensowenig gab es Unterstützung seitens des Bauernverbandes, obwohl das Ansinnen eine folgerichtige Konsequenz aus dem Quotenausstieg und der immer größeren Abhängigkeit von sehr schwankenden Exportmärkten wäre.
Nun befinden wir uns mittlerweile im Jahr 2014 und es bedarf wohl keinerlei prophetischer Gaben mehr, um zu sehen, dass wir uns zügig auf die nächste Milchkrise hinbewegen. Die vorübergehenden Zeiten durchaus auskömmlicher Milchpreise – die auch manchen kritischen Bauern hatte schon verstummen lassen – scheinen vorbei, im Gegenteil: es ist in den nächsten Monaten mit deutlich niedrigeren Auszahlungspreisen zu rechnen.
Im nachfolgenden ein Offener Brief des niedersächsischen Landesvorsitzenden von BDM und AbL an Udo Folgart – dem sogenannten Milchpräsidenten des Bauernverbandes – wegen seiner Äußerung „Milchbauern müssten mit volatilen Märkten umgehen“. Ein Schlag in’s Gesicht aller Milchbäuerinnen und Milchbauern, die genau wissen, dass man die Milchproduktion einer Kuhherde mal nicht so eben an- und abstellt – also der Marktnachfrage anpasst. Es ist ein absolutes Trauerspiel, wie der Bauernverband den Milchviehbetrieben immer wieder in den Rücken fällt, anstatt sie mit ihrem berechtigten Anliegen eines Sicherheitsnetzes zu unterstützen.
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Offener Brief an Herrn Udo Folgart, Milchausschuss-Vorsitzender im Deutschen Bauernverband (DBV) und DBV-Vizepräsident
1.10.2014
Sehr geehrter Herr Folgart,
dass Sie sich in einer Phase des beginnenden Erzeugerpreis-Abschwungs als „DBV-Milchexperte“ zu Wort melden, ist ungewohnt -neigten Sie doch bisher eher dazu, nur in Hochpreisphasen das Loblied des freien Marktes zu singen. In schweren Zeiten gingen Sie nach Beobachtung vieler Milchbauern regelmäßig für Monate auf Tauchstation.
„Unsere Milcherzeuger und Molkereien werden mit den Volatilitäten des Milchmarktes umgehen müssen“ – so bereiten Sie Ihre Verbandsmitglieder auf abermals schwere Zeiten vor. Für die Molkereien ist das noch nie ein Problem gewesen, können sie doch Mindererlöse direkt an ihre Lieferanten weitergeben. Selbst in der für Milchbauern ruinösen Milchkrise 2009 konnte so die damalige Nordmilch (heute „DMK – Deutsches Milchkontor“) einen zweistelligen Millionengewinn einfahren. Vielen Milchbauern dagegen hat diese Krise damals das Genick gebrochen, denn „volatile Märkte bedeuten volatile Existenzen“, wie Professor Onno Poppinga es einmal formuliert hat – volatil aber natürlich nur für das letzte Glied in der vielgelobten „Wertschöpfungskette“, den Restgeldempfängern in der Kalkulation der Großmolkereien.
Diesem Milchbauern raten Sie, werter Herr Folgart, mit „Kostenanpassungen“ und „Umstellungen im Herdenmanagement“ auf die Marktschwankungen zu reagieren. Dieser immer wieder hervorgeholte Rat an die Bauern, doch mangels kostendeckender Milchpreise an den „kleinen Schrauben“ zu drehen, ist eher zynisch – denn bei den allermeisten Betrieben sind diese Schrauben ja längst überdreht. Kein Wunder, denn selbst der Ihrer Meinung nach „ordentliche Milchpreis“ des letzten Jahres hat ja nicht einmal zur Deckung der durchschnittlichen Kosten gereicht! Das belegt nicht nur der Milchmarker-Index des Milch Board, das bestätigen auch die Milchprofis von den European Dairy Farmers (EDF), die in ihren Berechnungen auf Kosten der Milcherzeugung von 49 Cent pro Liter (weit über den derzeitigen Erzeugerpreisen) kommen! Mit diesen Kollegen sollten Sie sich als Milchausschussvorsitzender einmal unterhalten, um zu erfahren, dass die Milcherzeuger nicht so sehr die Menge, sondern der zu erzielende Preis der Milch wichtig ist!
Wir nehmen an, dass Sie weniger mit ganz normalen Familienbetrieben, sondern vor allem mit expandierenden, überliefernden Großbetrieben Kontakt haben. Deren rücksichtslose Mengenausdehnung verursacht aber auf Kosten aller Kollegen die Überschüsse, die jetzt wieder den Preis drücken. Das gilt für europäische Milcherzeuger, aber erst recht für Kleinbauern in den Ländern des Südens, deren Existenz in Krisenzeiten durch europäische Dumpingexporte gefährdet wird. Nebenbei bemerkt: Wie das Auslaufen der Quotenregelung in Europa auch die Milchproduktion in der ganzen Welt stimuliert haben soll, bleibt wohl Ihr Geheimnis.
Bezeichnend, dass Sie dann die Beihilfen für Lagerhaltung loben, die ausschließlich an die Molkereien gehen und die nur den Molkereien helfen. Diese können die Milchprodukte subventioniert einlagern und bei besseren Preisen wieder gewinnbringend verkaufen und dann so den gerade wieder ansteigenden Milcherzeugerpreis erneut drücken. Kriseninstrumente, die den Bauern helfen, indem sie nämlich zu einer Verringerung der Produktion beitragen, werden von Ihrem Verband natürlich abgelehnt und in Ihrer Pressemitteilung nicht einmal erwähnt. Der Bauernverband ist eben doch vor allem eine Interessenvertretung der Großmolkereien und der Ernährungs- und Agrarindustrie.
Wenn dann schlaue italienische Molkereimanager konsequent die von Ihnen geforderte Lagerhaltung nutzen, ist das Ihren Großmolkereien auch wieder nicht recht. Diese sollen Ihrer Pressemitteilung nach nicht „zu Lasten aller die Marktordnungsmaßnahmen ausnutzen und zweckentfremden“ – aber genau das tun ja auch „Ihre“ Molkereien zu Lasten aller Milcherzeuger! Überraschend, dass in Ihrer Stellungnahme diesmal das sonst obligatorische Jammern über die Superabgabe (für die Überlieferung der immer noch gültigen Milchquoten) fehlt – vielleicht sehen selbst Sie mittlerweile die Aussichtslosigkeit dieser Klagen ein.
Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Wortwahl: Wir hatten uns schon oft gewundert, welch heiligen Zorn bei Vertretern des Bauernverbandes, der Milchindustrie und überhaupt bei unseren sogenannten „Partnern in der Wertschöpfungskette“ regelmäßig Kritik oder Zweifel an der Weltmarktausrichtung der Milch- und auch Fleischproduktion auslösen. Nun, die Überschrift „Milcherzeuger bekennen sich zu Milchmarkt“ erklärt einiges: Man bekennt sich zu einer Glaubensgemeinschaft, also handelt es sich bei der Weltmarktorientierung um eine religiöse Frage! Sollte der freie Markt sogar eine Art Gott sein? Fanatisch Gläubige reagieren sehr empfindlich, wenn man ihre Überzeugungen in Frage stellt. Und die Marktfanatiker sind leider auf dem besten Wege, dafür zu sorgen, dass auch in der nächsten, durch ihr Verhalten mit ausgelösten Krise wieder viele Bauern „dran glauben müssen“!
Mit freundlichen Grüßen
Ottmar Ilchmann, Milchbauer und Landesvorsitzender des Landesverbands Niedersachsen/Bremen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)
Johanna Böse-Hartje, Milchbäuerin und Landesvorsitzende Niedersachsen des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM)