Neuregelung der Tierkörperbeseitigung stärkt bäuerliche Landwirtschaft und entlastet kommunale Kassen!

Schweine_by_Stefan Schwarz_pixelio

In Nordrhein-Westfalen wird das Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Tierseuchengesetz und zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz novelliert. Hinter diesem Wortungetüm versteckt sich eine millionenschwere Subventionierung der intensiven Viehhaltung. Denn in diesem Gesetz wurde bisher geregelt, dass in NRW die Tierhalter nur etwa 10 Prozent der Kosten für die Tierkörperbeseitigung zahlen, die restlichen 90 Prozent zahlen die Kommunen. Selbst im Fall einer sogenannten Havarie, wenn beispielsweise durch einen Brand oder durch Versagen der Lüftungen ein kompletter Tierbestand getötet wurde, trägt bisher die Kommunen bislang den Großteil der Kosten.Die öffentliche Hand hat dadurch vor allem große Mastanlagen in den vergangenen Jahrzehnten mit jährlich hohen Millionen-Beträgen unterstützt.  Besonders hoch sind die Kosten in Hochburgen der intensiven Viehhaltung: Die münsterländischen Kreise Borken (1,2 Mio. €), Steinfurt (1,05 Mio. €), Warendorf (0,8 Mio. €) und Coesfeld (0,6 Mio. €) wenden alleine ca. 3,7 Mio. € für die Beseitigung der sogenannten Falltiere aus der Landwirtschaft auf.

Damit übernehmen die Kreise in einem hohen Maße Kosten, die eigentlich von den Landwirten zu tragen wären. Für den einzelnen Betrieb kann dies ein ganz erheblicher Kostenvorteil sein. So verursacht ein durchschnittlicher 40.000er Hähnchenmaststall jährlich etwa 3.000 € bis 3.500 €  an Kosten der Tierkörperbeseitigung.

Und auch in diesem Fall der ganz besonderen landwirtschaftlichen Subventionierung gilt das immer gleiche Prinzip der Agrarsubventionen: Je größer der Betrieb desto größer auch die Subventionen. Das heißt, während ein kleiner, bäuerlicher Betrieb jährlich beispielsweise Kosten in Höhe von ein paar hundert Euro verursacht, übernimmt die öffentliche Hand bei Großmästern enorme Kosten, die schnell mehrere Tausend Euro ausmachen können.

Dieser lineare Anstieg der Subventionen ist es auch, der über die letzten Jahrzehnte den kleinen und mittleren Betrieben das Leben schwer gemacht hat. Während die Großbetriebe die Kostenvorteile (billigerer Einkauf von Futter, höhere Produkterlöse) der Massenproduktion massiv nutzen und bei den Beiträgen zur Tierseuchenkasse oder zur Berufsgenossenschaft Vorteile für sich durchgesetzt haben, haben sie bei den Subventionen bislang jegliche Differenzierung zu verhindern gewusst.  Dadurch erhöht sich ihr Produktionsvorteil, denn bezogen auf den einzelnen Bauern und seine Arbeitskraft betragen die Subventionen der Großbetriebe ein Vielfaches dessen, was kleine und mittlere Bauernhöfe erhalten.

In Nordrhein-Westfalen wird diese Logik jetzt unterbrochen. Die Kosten für die Beseitigung der Tierkadaver werden zukünftig insgesamt  stärker den Bauern auferlegt, weil ihr Kostenanteil zukünftig von zehn auf 25 Prozent steigen soll. Vor allem aber sieht das neue Gesetz erstmals eine Kostendeckelung vor, die bei insgesamt 640 Euro pro Jahr und Betrieb liegt. Damit werden auch zukünftig alle Bauernhöfe bei der Beseitigung der Falltiere unterstützt, was vor dem Hintergrund der Seuchenproblematik auch richtig ist. Wahre Schweine- und Hähnchenfabriken, deren Beseitigungskosten weit über 640 € liegen, müssen also in Zukunft diese Kosten zu einem Großteil selbst tragen.

Auch mit Blick auf sogenannte Havarien ändert sich viel: Zukünftig müssen Landwirte im Fall eines Stallbrandes oder Ausfalls der Lüftungsanlage die enormen Kosten der Tierkörperbeseitigung selbst tragen. Dieses Produktionsrisiko kann von den Landwirten über eine Ertragsschadensversicherung abgesichert werden. Gleichzeitig ist zu hoffen, dass durch den Übergang dieser Kosten die Bereitschaft in der Landwirtschaft steigt, die Stallanlagen mit entsprechenden Brandschutztechniken auszustatten. Hier sind mittlerweile gute technische Lösungen (z.B. Hochdruck-Vernebelungsanlagen)möglich, die jedoch leider aus Kostengründen von der Landwirtschaft bislang kaum eingesetzt werden.

Vor dem Hintergrund knapper kommunaler Kassen ist dieser Gesetzentwurf ein wichtiger Schritt, die Kreise – und damit auch die Gemeinden – im ländlichen Raum zu entlasten. Zugleich sorgt das Gesetz dafür, dass der Staat neben den vielen anderen Subventionen nicht auch noch über die Tierkörperbeseitigungskosten der Massentierhaltung weiter Vorschub leistet. Insofern ist das Gesetz auch ein wichtiger Beitrag  dazu, eine bäuerliche Landwirtschaft zu stabilisieren und zwischen den Betrieben eine Gerechtigkeitslücke zu schließen. Mit der Deckelung bei den Kosten der Tierkörperbeseitigung vollzieht Nordrhein-Westfalen damit das, wozu der Europäischen Ebene weitestgehend der Mut fehlte: nämlich die Agrarsubventionen gerechter zu gestalten.

Norwich Rüße, MdL
15.05.2014

 

Anhang:
– Kosten der Tierkörperbeseitigung, Kreise in NRW und Niedersachsen
– Liste von Havarien in Mastanlagen


 

Kosten der Tierkörperbeseitigung:

                                     NRW

 

 

Kreis

Kosten 2010

 

Haushaltsansatz         2014

 

 

Zu entsorgende Kadaver (Gewicht)

Hochsauerlandkreis       185.430,00 €       270.000,00 €
Borken    1.200.000,00 €    1.100.000,00 € 8.900 to.
Coesfeld       584.000,00 €       634.500,00 € 4.600 to.
Gütersloh       390.827,00 €       470.000,00 €
Höxter       411.225,00 €       445.500,00 € 2.250 to.
Kleve       735.409,00 €   1.000.000,00 €
Minden-Lübbecke       414.884,00 €             n. bek.
Paderborn       453.000,00 €             n. bek.
Soest       431.000,00 €       571.373,00 € (2013)
Steinfurt    1.045.000,00 €    1.075.000,00 € 8.000 to.
Warendorf       807.409,00 €       850.000,00 €
Rhein-Sieg-Kreis       390.000,00 €       502.000,00 €

 

Quelle: Erhebung MKULNV, VORLAGE 15/1050, Haushalte der Kreise

 

 

Niedersachen

Kreis/Stadt  Ansatz 2011
Hannover       379.000,00 €
Delmenhorst          16.000,00 €
Emden          98.500,00 €
Oldenburg       100.600,00 €
Wilhelmshaven       105.000,00 €
Wolfsburg          21.700,00 €
Aurich       280.800,00 €
Celle          75.800,00 €
Cuxhaven    1.100.000,00 €
Diepholz    1.270.487,00 €
Emsland    1.370.000,00 €
Bad Bentheim    1.384.750,00 €
Hameln          54.500,00 €
Helmstedt          18.400,00 €
Leer       221.000,00 €
Nienburg/Weser       550.000,00 €
Osnabrück       662.500,00 €
Vechta    1.063.702,00 €

 

Quelle: Haushaltspläne der jeweiligen Kreise

Fälle von Hitzetod/ Erstickung im Maststall ab 2010 (Auswahl)

Ort Datum * Verendete Tiere Ursache
Abtsbessingen (Thüringen) Mai 2010 600 Schweine Ausfall Lüftungsanlage nach Blitzeinschlag
Kreis Uelzen (Nds) 10. Juli 2010 40.000 Hühner Ausfall Kühlanlage bei Hitzeperiode
Lügde bei Detmold 28. April 2011 410 Schweine Ausfall Lüftungsanlage nach Blitzeinschlag (Stromausfall)
Bad Mergentheim, Main-Tauber Kreis (BaWü) Mai 2011 200 Ferkel Ausfall Lüftungsanlage
Sangerhausen, Kreis Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) Mai 2011 1.000 Schweine Ausfall Lüftungsanlage, Mitarbeiter reagierte nicht auf SMS-Warnung
Alkersleber (Thüringen) 22. Juni 2011 3.021 Ferkel Ausfall Lüftungsanlage nach Blitzeinschlag
Haldensleben (Sachsen-Anhalt) August 2011 117.000 Hühner Stromausfall in Folge von Gewitter
Belzheim (Augsburg) Mai 2012 600 Schweine Ausfall Lüftungsanlage
Verden (Nds) 20.08.2012 Feuerwehr konnte noch rechtzeitig den Maststall mit Wasser kühlen. 20.000 Hühner betroffen (Hitzeperiode)
Elten, Kr. Kleve 21.08.2012 6.000-8.000 Puten(Feuerwehr konnte weiter 12.000 Tiere retten) Hitzeperiode, die Kühlanlage kam nicht mehr nach
Maaseik (Belgien, nahe Deutscher Grenze) 21.08.2012 5.000 Hühner Hitzeperiode
Kreis Cloppenburg (Nds) Sommer 2012 38 landwirtschaft-liche Betriebe verzeichneten „erhöhte Verluste“ Hitzeperiode
Hessen Sommer 2012 800 Masthähnchen Hitzeperiode
Cham (Bayern) 05.08.2013 2.500 Hühner Hitzeperiode
Billerbeck Juni 2013 1.000 Schweine Ausfall Lüftungsanlage
Vreden, Kreis Borken Juli 2013 900 Schweine Ausfall Lüftungsanlage (Hitzeperiode)
Rosendahl, Kreis Coesfeld August 2013 1.500 Hühner Hitzeperiode
Coesfeld August 2013 2.000 Hühner Hitzeperiode
Coesfeld August 2013 4.000 Hühner Hitzeperiode

* Das Datum bezieht sich teilweise auf den Tag der Veröffentlichung in der Zeitung. Der Vorfall kann entsprechend schon einige Tage früher geschehen sein.

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