Der BUND hat eine Studie in Auftrag gegeben, um den Einsatz von Hormonen in der Sauenhaltung zu untersuchen (Kurzfassung hier: Zum Einsatz von Hormonen in der intensiven Sauenhaltung, 2013) Vorab: Die Studie liefert leider keine genauen Zahlen über Einsatzhäufigkeit und -mengen, zeigt aber auf, dass Hormongaben zur gängigen Praxis in der „Ferkelproduktion“ geworden sind und dass mit der Größe der Sauenbestände bestimmte Probleme wie Fruchtbarkeitsstörungen zunehmen und zum Beispiel die Sauen immer schneller durch Jungsauen ersetzt werden müssen. Die Studie hat jetzt einen Sturm der Entrüstung losgetreten – vom Tierärzteverband über die ISN bis zum Bauernverband.
Wie immer bemühen sich die Protagonisten die „moderne“ Landwirtschaft zu verteidigen und Probleme zu verharmlosen. Dabei verwundern die vorgetragenen Argumente doch. Insbesondere die Tierärztin Inge Böhne, stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Schweine der Bundestierärztekammer, überrascht mit ihren Aussagen, dass lediglich Einzeltiere behandelt und vor allem kleinere Betriebe Hormone einsetzen würden. Das klingt schon ein wenig nach Realitätsverweigerung. Spannend auch die Aussagen der ISN (Interessengemeinschaft der Schweinehalter), wonach der Hormoneinsatz nicht der Leistungssteigerung diene.
Aha! Das wäre ja dann das allererste Mal, das ein Hormoneinsatz in der Landwirtschaft nicht der Leistungssteigerung dienen würde. Warum setzen amerikanische Farmer Hormone in der Rindermast ein? Natürlich um das Fleischwachstum zu beschleunigen. Und warum setzen amerikanische Milchbetriebe seit über zwanzig Jahren das BST-Hormon (Hersteller übrigens: Monsanto) ein? Natürlich weil es die Milchleistung um etwa 15 Prozent steigert.
Es reicht auch ein kurzer Blick auf die Eigenwerbung im Internet: Dort wird das System der Brunstsynchronisation mittels Hormongaben zum Beispiel auf der Website animal-health-online erklärt. Mit Hilfe der Hormone werden Jungsauen und Umrauscher (also Sauen die nicht sofort trächtig geworden sind) mit einer vorhandenen Gruppe von Sauen „synchronisiert“, d.h. ihre Zyklen werden durch die Hormongaben gleich, so dass alle Tiere zur selben Zeit tragend werden und ferkeln. Natürlich geht aus auch hierbei um’s liebe Geld – sprich eine „höhere Rentabilität“. Ausdrücklich erwähnt der Autor, dass mehr lebende Ferkel geboren werden: „Insgesamt werden durch die Brunst-Synchronisation mit Altrenogest durchschnittlich 0,5 Ferkel pro Wurf zusätzlich geboren.“ Dazu kommen Ertragsvorteile durch größere Ferkelpartien beim Verkauf, ein leichteres Management, bessere Planbarkeit der Arbeitsabläufe. So wurden Bauernhöfe in den letzten 30 Jahren zu konsequent durchrationalisierten und mit Hormonen lenkbar gemachten Ferkelfabriken.
Es bleiben allerdings etliche Fragen offen: Die erste Frage ist natürlich, ob die regelmäßigen Hormongaben in der Sauenhaltung Folgen für die Umwelt haben. Hier besteht mit Sicherheit dringender Forschungsbedarf. Dann stellt sich die Frage, inwieweit eine solche Form der „Ferkelproduktion“ nicht komplett den Verbrauchererwartungen zuwider läuft? Niemand spricht der Landwirtschaft das Recht ab, kranke Tiere zu behandeln. Aber Antibiotika und auch Hormonpräparate sollten eben nicht alltägliche Bestandteile von Produktionsabläufen sein.
Am Ende muss sich die Landwirtschaft natürlich fragen lassen, warum sie sich – richtigerweise – einerseits selbst gegen den US-Import von Fleisch und Milch – die unter Zuhilfenahme von Hormonen produziert wurden – wehrt und andererseits aber den standardmäßigen Einsatz von Hormonen in der deutschen Sauenhaltung für vollkommen normal hält? Die Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten mit Sicherheit etwas anderes.