mit der Novelle des Baugesetzbuches erhalten die Kommunen ein verbessertes Mitspracherecht beim Bau großer Stallanlagen. Mich erreichen allerdings immer wieder Anfragen zu konkreten Bauvorhaben, woraus ich entnehme, dass die neue Rechtslage noch nicht hinreichend bekannt ist. Dies gilt anscheinend zum Teil sogar für Behördenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen, so dass es wichtig ist, genau zu schauen, wie neuere Bauanträge vor Ort behandelt werden.
Eine gute Basis über die Problematik bietet der Artikel „Tierhaltungsanlagen im Außenbereich“ der AKP 5/2012. Da wir vor wenigen Wochen außerdem beim „Runden Tisch gegen Massentierhaltung“ hier im Landtag auch sehr gute juristische Hinweise des Rechtsanwalts Peter Kremer zu Verfahrensabwicklungen bekommen haben, bieten wir Euch des weiteren an, ein diesbezügliches Skript – auf Anfrage – in Papierform an Euch zu versenden. Es behandelt insbesondere den Ablauf des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach BImSchV. Wendet Euch diesbezüglich bitte an meinen Mitarbeiter stefan.schweers@landtag.nrw.de. Bei detaillierteren Nachfragen stehen ich sowie die wissenschaftliche Mitarbeiterinchristine.zechner@landtag.nrw.de gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
Beste Grüße und eine schöne und erholsame Sommerzeit
Norwich Rüße
HINWEISE zu den veränderten Rahmenbedingungen bezüglich großer Tierhaltungsanlagen
Landwirtschaftliche Stallbauten nach §35, Abs. 1, Nr. 1 BauGB: bleibt wie bisher = Privileg, Anspruch, wenn alle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Gewerbliche Stallbauten nach §35, Abs. 1, Nr. 4 BauGB verändert sich folgendermaßen:
1. Möglichkeit:
Antrag bis 04.07.2012 = Abwicklung nach alter Rechtsnorm, Privileg, d.h. Anspruch, wenn alleGenehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind.
2. Möglichkeit:
Antrag nach dem 04.07.2012 und Stallplatzzahlen unterhalb der Schwellenwerte der Vorprüfung nach Anlage 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz UVPG (siehe unten) = Abwicklung zwar nach neuer Rechtsnorm, Privileg bleibt, d.h. Anspruch, wenn alle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind.
3. Möglichkeit:
Antrag nach dem 04.07.2012 und Stallplatzzahlen über den Schwellenwerten der Vorprüfung nach Anlage 1 UVPG = Abwicklung nach neuer Rechtslage, entprivilegierte Anlagen, d.h. es gibt keinen Anspruch auf Baugenehmigung, sondern nur die Gemeinde kann hier Baurecht schaffen. Der Bauantrag fällt aus dem §35, Abs. 1, Nr. 4 BauGB heraus und es muss ein Bebauungsplan durch den Rat der Gemeinde verabschiedet werden.
Insbesondere in flächenknappen Regionen sind schon in der Vergangenheit die meisten Stallneubauten als gewerbliche Vorhaben genehmigt worden, so dass hier die Gemeinde nun zukünftig mehr Steuerungsrechte erhält.
Bei landwirtschaftlichen Anlagen (d.h. der Betreiber kann nachweisen, dass er entsprechend §201 BauGB über eine ausreichende eigene Flächengrundlage für die Futtergewinnung verfügt (über 50 Prozent des Futters kann (theoretisch) selbst erzeugt werden)) und bei kleinen Anlagen unterhalb der Schwellenwerte UVP bleibt es dagegen bei der Privilegierung. Der Antragsteller hat wie bisher einen Anspruch auf Genehmigung, wenn die Antragsvoraussetzungen erfüllt sind. Hier lohnt es sich zu überprüfen, ob tatsächlich sämtliche Anforderungen erfüllt werden. Oftmals sind Bauanträge bzw. -genehmigungen fehlerhaft, so dass dann die Möglichkeit besteht, entsprechend aktiv zu werden (Näheres dazu findet sich im Skript von RA P. Kremer). Landwirtschaftliche Anlagen werden überwiegend noch dort gebaut, wo die Tierhaltung weniger stark ausgeprägt ist und die Landwirte über ausreichend Fläche verfügen.
Wenn die Schwellenwerte für eine Vorprüfung nach Anlage 1 UVPG erreicht werden und es sich um eine nicht-landwirtschaftliche Anlage handelt, entfällt die Privilegierung.
Vor Ort ist deshalb zukünftig bei einer neu beantragten Stallanlage noch stärker darauf zu achten, ob es sich bei den Anlagen um eine landwirtschaftliche oder gewerbliche Anlage handelt, weil dies ganz unterschiedliche Konsequenzen für die Gemeinde hat. Bei gewerblichen Anlagen besteht bei nach dem 04.07.2012 beantragten Anlagen ein Planungsvorbehalt der Kommune, d.h. der Rat entscheidet!
Unbedingt zu beachten ist die rückwirkende Festsetzung der Geltung der Gesetzesänderung, so dass auch in laufenden Verfahren für große gewerbliche Stallanlage sich die Rechtslage verändert haben kann. Dies gilt immer dann, wenn der Antrag auf Genehmigung nach dem 04.07.2012 eingereicht wurde, die Anlage nach §35, Abs. 1, Nr. 4 BauGB (gewerblich) beantragt wurde und die Schwellenwerte für eine Vorprüfung nach Anlage 1 UVPG überschritten werden.
Schwellenwerte, die eine Vorprüfung nach Anlage 1 UVPG erfordern:
15.000 Hennen oder Truthühner
30.000 Junghennen oder Mastgeflügel
600 Rinder
500 Kälber
1.500 Mastschweine
560 Sauen oder
4.500 Ferkel
(Die Schwellenwerte beziehen sich nicht nur auf das neu zu errichtende Stallgebäude, sondern auf den gesamten vorhandenen Bestand plus Erweiterung. D.h. ein Betrieb mit 800 Schweinemastplätzen könnte noch 699 Plätze hinzubauen, nicht aber 700 Plätze, weil er dann auf über 1.500 Mastplätze kommen würde.)