Filmkritiken zu „More than honey“

Filmpremiere More than honey (©Senator Film)

Am 8. November kommt der Dokumentarfilm „More than honey“ in die deutschen Kinos. Die Grüne Landtagsfraktion hat die Möglichkeit diesen beeindruckenden Film in einer Preview den Imkern aus Nordrhein-Westfalen zu zeigen. Gregor und Ulrike Rohlmann, Obleute für Umwelt- und Naturschutz beim Landesverband Westfälischer und Lippischer Imker und Udo Schmelz, 1. Vorsitzender des Imkerverbandes Rheinland e.V., haben „More than honey“ gesehen und diese Kritiken für uns geschrieben:

 

Filmkritik von Gregor und Ulrike Rohlmann, Obleute für Umwelt- und Naturschutz, Landesverband Westfälischer und Lippischer Imker

„Der Film fesselt den Zuschauer mit seinen faszinierenden tiefen Einblicken in die Welt des Superorganismus Biene. Begleitet vom leisen Summen, dem Tüten der Königin und einfühlsamer Musik lässt der Regisseur Markus Imhoof mit noch nie dagewesenen Makro-Aufnahmen aus dem Leben des Bienenvolkes und der Königin große Ehrfurcht aufkommen vor dem ökonomischsten und bestorganisiertesten Staatengebilde der Welt – dem Menschen weit überlegen. Millionen von Jahren existieren die Bienen und haben bisher alle Katastrophen – sogar die Eiszeiten – überlebt. Ein Leben ohne sie wäre völlig undenkbar, sie zählen als drittwichtigstes Haustier auf Grund ihrer Bestäubungsleistung zu den größten Ernährern der Menschheit.

Kommt jetzt menschengemacht ihre schwerste Zeit? Das große Staunen über die wunderbare Bienenwelt weicht im Film Entsetzen und Fassungslosigkeit über den Raubbau an der Natur, die Rücksichtslosigkeit und den Globalisierungswahn des Menschen. Am Beispiel der industriellen Bestäubungsimkerei in den USA und einer Königinnenproduktionsfirma in Österreich zeigt sich die Auswirkung von Monokulturen, Chemieeinsatz und grenzenloser Ausbeutung durch die Menschen. Die Bienen entarten zu Geschäftsmodellen mit rein technischer Nutzung. Das Individuum zählt nicht mehr, der Respekt vor der Schöpfung fällt unbegrenzter Geldgier zum Opfer. Die Bilder über den rücksichtslosen und brutalen Umgang mit den Bienen schockieren den Betrachter. Die Horrorvision einer durch Chemiekalieneinsatz bienenlos gewordenen Erde ist in China schon Wirklichkeit geworden. Die Bestäubung der Obstbäume durch Menschenhand wirkt wie ein unvorstellbares Bild aus einer anderen Welt. Die gezielt eingebauten Szenen aus der auf den ersten Blick heil wirkenden Familienimkerei in der Schweizer Bergwelt zeigen einerseits Auswege, andererseits aber auch da die Folgen von Inzucht auf die Bienengesundheit. Die Nutzung von Killerbienen in den USA, die der Varroamilbe ohne Behandlung widerstehen können, erweist sich nicht als Lösung, da die Imker mit den Bienen leben wollen, ohne ständig Schutzanzüge nutzen zu müssen. Auf der Suche nach den Ursachen des globalen Bienensterbens kommt der Regisseur zu der Erkenntnis, dass die Summe aus allen Einzelbedrohungen wie Pestizideinsatz, Verlust der Nahrungsgrundlage durch Monokulturen und Bienenkrankheiten in Kombination dafür verantwortlich ist. Die Bienen sterben am Erfolg der Zivilisation.

Die Imkerei in Deutschland mit ihren über 80 000 Hobbyimkern ist kleinstrukturiert. Daher ist die Zahl der von einem Menschen betreuten Bienenvölker nicht beliebig hoch. Die Beziehung Biene-Mensch-Landschaft spielt eine große Rolle. Der Film zeigt in beeindruckender Weise, wohin Fehlentwicklungen führen können. Der Ausbau der industriellen Landwirtschaft muss gestoppt werden. Die Rückkehr zu kleinbäuerlichen Strukturen, wie auch der Weltagrarbericht sie zur Bekämpfung des Hungerproblems in der Welt mit Nachdruck fordert, ist unumgänglich. Die Steigerung der industriellen Landwirtschaft hätte neben dem extrem gesteigerten Chemieeinsatz eine industrielle Bestäubungsimkerei zur Folge, die unbedingt verhindert werden muss. Ein Bienenvolk befliegt ein Areal von 50 km². Auf ihren Flügen treffen die Bienen auf eine komplexe Kombination von Giften verschiedener Hersteller in verschiedenen Konzentrationen an verschiedenen Orten. Bei Hummeln summieren sich sogar die schädlichen Effekte zweier Pflanzengifte. Das haben Forscher um Richard Gill von der Universität von London in Freilandexperimenten herausgefunden. Sehr problematisch erweisen sich die eingesetzten Neonikotinoide. Wie mehrere Studien zeigen, verlieren die Bienen durch diese Nervengifte, die über die Wurzeln bis in die Blüten steigen und beispielsweise im Guttationswasser der jungen Maispflanzen in hoher Konzentration zu finden sind, ihren Orientierungssinn, finden nicht mehr zu ihrem Volk zurück und sterben. Ein Verbot von Neonikotinoiden ist zwingend erforderlich. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen sowie der Einsatz von Glyphosat verbieten sich auf Grund der erforschten Gefahren von selbst. Grundsätzlich müssen die Bienen durch intensivere Zulassungsprüfungen bei den Pestiziden und durch eine von Chemie- und Gentechnikkonzernen unabhängige Forschung geschützt werden.

Viele Zuschauer werden sich nach dem Film die Frage stellen, was sie selbst dazu beitragen können, dass es den Bienen und damit der Natur und den Menschen besser geht. Mit der Verbesserung der Blütenvielfalt mit gebietseigenen Pflanzen im Bereich der Landwirtschaft, in Städten und Gemeinden und in den Privatgärten ist für einen ununterbrochenen Nahrungsstrom für alle Insekten gesorgt. Überdenken der Ernährungsgewohnheiten und bewusstes Kaufen regionaler Produkte fördern die Entwicklung kleinbäuerlicher Strukturen. Insbesondere das Reduzieren des Fleischgenusses und der Biogasproduktion mit der Ergänzung, in diesem Bereich beispielsweise Wildstauden als Energiepflanzen einzusetzen, werden eine Verringerung der Monokulturen, die Reduktion der Treibhausgase, einen deutlich geringeren Wasser- und Energieverbrauch und den schonenderen Umgang mit dem Boden zur Folge haben.  

Die faszinierenden Aufnahmen des Films und das Wissen um die Bedeutung der Bienen für unser ganzes Leben und unsere Umwelt werden uns die Kraft geben, gemeinsam für das Wohl unserer Bienen, der Menschen und der Natur zu kämpfen.“

 

Filmkritik von Udo Schmelz, 1. Vorsitzende des Imkerverbandes Rheinland e.V.

“ Der Film zeigt eindrucksvolle Bilder und wunderschöne Aufnahmen vom Geschehen im Bienenvolk. Das Anliegen von Herrn Imhoof, die Gefährdung der Honigbiene aufzuzeigen, ist anerkennenswert und auch gelungen. Durch die plakative Darstellung tatsächlich existierender, extremer Ausprägungen der Berufsimkerei vor allem in den USA bei den Bestäubungstätigkeiten der Honigbienen bei Mandelbäumen, entsteht für den Laien aber ein völlig falscher Eindruck von der heimischen Bienenhaltung u.a. in Europa. So wird die amerikanische Bestäubungsimkerei mit all ihren negativen Ausprägungen, wie Einsatz von Antibiotika, Spritzmittel oder endlosen Transportwegen für die Bienen dargestellt oder die Notwendigkeit der Handbestäubung von Obstkulturen in China, weil keine Hautflügler mehr dort vorhanden sind. Diese negativen Beispiele der Imkerei sind ein wichtiger und richtiger Fingerzeig, wohin Fehlentwicklungen in der Welt führen können. Als Beispiel der europäischen Imkerei wird jedoch ein alter, pfeifenrauchender Bergimker aus der Schweiz gezeigt, wie er seine Bienen wegen einer Bienenkrankheit (Sauerbrut, amerikanische Faulbrut) verbrennt. Dies ist eine Darstellung der Imkerei, wie sie für Europa und Deutschland keinesfalls zutrifft, trotz aller schönen und eindrucksvollen Bilder im Film.

Die deutsche Bienenhaltung ist kleinstrukturiert: die durchschnittliche Völkerzahl der in Deutschland vertretenen Imkerinnen und Imker, die in ca. 4.000 Imker-/Bienenzuchtvereinen als Mitglieder organisiert sind beträgt ca. 8 Bienenvölker im Durchschnitt. Über 80.000 Imkerinnen und Imker betreiben die Imkerei in Deutschland als Freizeitbeschäftigung. Die Bienenhalter mit ihren Bienenvölkern sind auf die gesamte Landesfläche in Deutschland verteilt und sichern damit eine flächendeckende Bestäubung von Wild- und Nutzpflanzen. Die Bienenhalter haben eine wesentlich persönlichere Beziehung zu ihren Bienenvölkern und gehen daher auch sorgsam mit ihren Nutztieren um. Die Grundsätze der Nutztierethologie werden berücksichtigt: Die Bienenhaltung- und Zucht erfolgt unter Berücksichtigung der Gesundheit, der Vitalität und des Verhaltens der Bienenvölker. Bei der engen Bebauung in Deutschland müssen wir sanftmütige Biene halten, diese Sanftmütigkeit gewährleisten die Carnica- oder die Buckfast Bienen, die überwiegend in Deutschland gehalten wird.

Der Imker ist ein Lebensmittelproduzent und wird als solcher von der amtlichen Lebensmittelkontrolle vor Ort überwacht. Der hohe Standard der Honiggewinnung wird durch eine optimale Betriebsausstattung erreicht und garantiert unverfälschte Bienenprodukte von höchster Wertigkeit. Der größte Anteil des „Deutschen Honigs“ wird im geschützten Imkerglas des Deutschen Imkerbundes e.V. www.deutscherimkerbund.de vermarktet. Der Deutsche Imkerbund zieht jährlich ca. 3.000 Honigproben bei den organisierten Imkerinnen und Imkern und kontrolliert somit die Qualität und die vorgegebenen Richtlinien. Damit entsteht eine guter Bezug zu den Wünschen der Kunden und ein hohes Verantwortungsbewußtsein in der Produktion von Bienenprodukten von hoher Qualität. In Deutschland und in der EU sind keine Antibiotika zur Vorbeugung oder Heilung von Bienenkrankheiten erlaubt. Honig ist eines der sichersten Lebensmittel, jährliche Untersuchungen auf Tierarzneimittel, Umweltkontaminanten und Pflanzenschutzmittel-rückstände zeigen deutlich auf, für die Bevölkerung besteht kein Grund zur Besorgnis.

Natürlich gibt es auch in der heimischen Bienenhaltung in Deutschland seit vielen Jahren große Sorgen: Die Varroamilbe erfordert einen erhöhten Pflegeaufwand durch Imkerinnen und Imker und Behandlungen der Bienenvölker nach der Honigschleuderung mit zugelassenen Behandlungsmitteln u.a. Ameisen- und Oxalsäuren gegen die Varroamilben sind Pflicht. Der Einsatz von Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft führt regional zu Schädigungen der Bienenvölker, in Süddeutschland gab es 2008 sehr große Bienenvölkerverluste durch hochgiftige Spritzmittel. Riesige Maisfelder u.a. für die Biogasanlagen verursachen einen Pollennotstand bei den Honigbienen, da kaum noch ausreichende Pollen für die Aufzucht der Honigbienen vorhanden sind. Die Stadtimkerei durch blühende Bäume und Sträucher, kein Einsatz von Spritzmittel, ist ein Hoffnungsschimmer für die Freizeitstadtimkerei in Deutschland.

Dennoch kann die Imkerei in Deutschland nach wie vor als erfüllende Tätigkeit in und mit der Natur erlebt werden. Dies zeigen uns auch die vielen Neumitglieder in der Imkerei in Deutschland in den letzten 5 Jahren. Der Trend die Imkerei zu beginnen kann auch 2012 in unserem Landesverband Rheinland durch viele Schulungen vor Ort in unseren 240 Vereinen bestätigt werden. Der Kauf von Honig vom Imker des Vertrauens und aus der Region sichert die Bestäubung unserer Wild- und Nutzpflanzen und stellt einen einfachen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität da, die jeder Konsument leisten kann.

Der Imkerverband Rheinland e.V. empfiehlt jährlich den 6.400 Vereinsmitgliedern, an einer Honigprämierung teilzunehmen, es sind 4 Honiggläser a 500 Gramm für die Prämierung einzureichen. Die Honiglose werden von einer Honigkommission im DLR/Fachzentrum Bienen und Imkerei (FBI) in der Aufmachung, Geschmack des Honigs usw. nach den Richtlinien des Deutschen Imkerbundes bewertet und es wird eine Vollanalyse der eingereichten Honige im dortigen Honiglabor des FBI durchgeführt. Die Bewertungsergebnisse der eingereichten Honiglose der letzten 10 Jahre zeigen uns auf, die Honigqualität ist gut und regionale Honige sind empfehlenswert. Am 3.11.2012 werden in der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Auweiler bei Köln die Sieger der diesjährigen Honigprämierung vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz durch den Parlamentarischen Staatssekretär Horst Becker und der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen vom Präsidenten Johannes Frizen mit Urkunden und Medaillen ausgezeichnet.“

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