„Ist der bio, oder ist der normal?“ fragte vor einiger Zeit eine Supermarktkassiererin, während sie skeptisch den Brokkoli begutachtete, den die junge Frau vor mir aufs Laufband gelegt hatte. Das zeigt, dass immer noch viele Verbraucherinnen und Verbraucher sich die Frage stellen, worin genau die Vorteile von „bio“ liegen. Oftmals ist der Wunsch nach gesünderen, weniger mit Schadstoffen belasteten Lebensmittel der wichtigste Grund für den Kauf von Bioprodukten.
Kritikerinnen und Kritiker des ökologischen Landbaus weisen allerdings immer wieder gerne darauf hin, dass konventionelle Produkte genauso gut und sicher seien wie Bio-Lebensmittel. Sehr oberflächlich betrachtet ist das nicht mal falsch. Denn die Nachweise, die einen besonderen Geschmack oder besondere Inhaltsstoffe von Ökoprodukten belegen würden, scheitert tatsächlich meistens. Und Skandale sind sowohl in der konventionellen als auch in der biologischen Landwirtschaft möglich. Ist es also wirklich egal, wie wir uns ernähren?
Nein. Denn unser tagtägliches Kaufverhalten entscheidet nicht nur darüber, ob wir uns ganz persönlich etwas Gutes tun. Es geht bei Ernährung eben nicht nur darum, ob wir satt werden, ob es uns schmeckt, oder ob wir gesund bleiben. Diese Eigenschaften von Lebensmitteln lassen sich mittels chemischer Analyse darstellen, und hier unterscheiden sich konventionelle und biologische Produkte zumeist nur wenig. Die Prämisse des Ökolandbaus, auf problematische Hilfsstoffe wie Biozide oder bestimmte Farbstoffe zu verzichten, ist allerdings die beste Garantie, unerwünschte Belastungen unserer Nahrungsmittel grundsätzlich auszuschließen.
Und ohnehin reichen Proben auf chemische Beschaffenheit bei weitem nicht aus, um den Gesamtwert von Lebensmitteln zu definieren. Würden wir die Qualität von Lebensmitteln allein auf Nährstoffe, Keime und Schadstoffbelastungen reduziert, wäre das ein sehr egoistisches Weltbild. Der Gesamtwert von Lebensmitteln erschließt sich erst, wenn man nicht nur das Endprodukt betrachtet, sondern die vollständige Produktionskette und die Folgen der Produktion auf die Umwelt analysiert. Wer sich schon an einen Vergleich zwischen konventionellen und ökologischen Produkten heranwagt, der sollte deshalb nicht nur auf seinen Teller schauen, sondern den gesamten Produktionsprozess betrachten.
In der agroindustriellen Massentierhaltung werden Tiere alles andere als artgerecht gehalten. Gleichzeitig führt die Gülle aus diesen Mastanlagen zu massiven Nitratproblemen im Grundwasser. Im konventionellen Ackerbau führen extrem einseitige Fruchtfolgen zu erheblichen ökologischen Problemen wie dem Artensterben. Und international betrachtet ruiniert unsere Intensivviehhaltung geradezu das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten, weil Regenwälder und Grünland für den Sojaanbau umgepflügt werden. Und welchen Anteil Gülle und Gärreste aus der Agroindustrie schließlich an den wachsenden Problemen mit Keimen wie Botulismus oder aktuell EHEC haben, muss noch intensiv erforscht werden.
Der ökologische Landbau versucht, auf diese massiven Probleme der konventionellen Landwirtschaft eine Antwort zu geben. Eine flächengebundene Viehhaltung statt immer größerer Mastställe, vielfältige Fruchtfolgen statt Monokulturen, regionale Wertschöpfungsketten statt internationalem Preisdumping auf den Weltagrarmärkten. Gerade angesichts der massiven Industrialisierung der Landwirtschaft in den letzten Jahren scheint dies der einzige Weg zu sein, langfristig den vertrauten Anblick unserer bäuerlichen Kulturlandschaft zu erhalten und ländlichen Räumen eine breit aufgestellte Perspektive zu geben.
Die Entscheidung über den zukünftigen Entwicklungspfad unserer Landwirtschaft – agroindustriell oder bäuerlich und ökologisch – ist auch mit Blick auf unsere Gesundheit von großer Bedeutung. Allein die großen Keimpotenziale aus der Massentierhaltung und der damit verbundene überhöhte Antibiotikaverbrauch sprechen für deutliche Veränderungen in der Landwirtschaft. Und an dieser Stelle sollten wir so egoistisch sein und uns in unserem eigenen Interesse gegen die Agroindustrialisierung entscheiden. Sich an dieser Stelle egoistisch zu entscheiden, wäre nicht einmal negativ, denn eine insgesamt nachhaltigere und ökologischere Landwirtschaft wäre für alle Seiten ein Gewinn: für die Gesundheit des einzelnen Menschen und für Böden und Umwelt insgesamt.
Ist der bio oder normal? Die einzig richtige Antwort lautet: Bio ist normal!
Quelle: www.gruene.landtag.nrw.de